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Gewerkschaft Constantin der Große

 

Die ‚Gewerkschaft Ver. Constantin der Große Bochum‘ war eine Bergwerksgesellschaft, die mehrere Schachtanlagen in Bochum und Herne betrieb. Sie gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikats (RWKS 1893). Schon 1857 hatte die Förderung auf Schacht 1 an der Herner Straße begonnen. Die Schachtanlage 6/7 an der Hiltroper Straße wurde Anfang des 20. Jahrhunderts errichtet und 1929 zur Großförderanlage ausgebaut. ‚Constantin der Große‘ gehörte seit 1927 zum Konzern der Friedrich Krupp AG.

Schon im ersten Weltkrieg waren auf dieser Zeche Zwangsarbeiter eingesetzt worden.

Die Gewerkschaft Constantin in der Zeit des Nationalsozialismus

Nach der Auflösung des ‚Reichsverbands der Deutschen Industrie‘ wurde die Zeche Constantin der Große im Jahr 1934 Mitglied der ‚Fachgruppe Steinkohlenbergbau/Bezirksgruppe Ruhr‘ als Unterorganisation der ‚Wirtschaftsgruppe Bergbau‘, die der Reichswirtschaftskammer unterstellt war. 1939 übernahm die Zeche Constantin die Zeche Mont-Cenis in Herne.

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Der Steinkohlenbergbau im organisatorischen Aufbau der deutschen Wirtschaft, Glückauf, Berg- und Hüttenmännische Zeitschrift 71 (1935) S. 91

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Zeche Mont Cenis 1936 Foto aus Meier S.231

Dass dieser Bergwerks-Konzern kein Problem mit der NS-Ideologie hatte,
zeigen schon die Titelseiten der Betriebszeitung:

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Grubenvorstand und Geschäftsleitung

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 wurde von der Geschäftsleitung ausdrücklich begrüßt. Im Geschäftsbericht zu diesem Jahr heißt es:
Die Übernahme der politischen Leitung durch eine vom Willen des Volkes getragene zielbewusste Staatsführung schaffte die Grundlage der poilitischen Stabilität und des Vertrauens ...“
(Geschäftsbericht der Gewerkschaft Ver. Constantin der Große Bochum 1933 S.6)

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Bergwerksdirektor und Dipl. Bergbauingenieur Heinrich Kellner (1861-1947) gehörte schon seit 1898 dem Grubenvorstand der Gewerkschaft Constantin der Große an, von 1918 bis 1947 als Vorsitzender. Damit war er besonders im 2. Weltkrieg für den Arbeitseinsatz der Zwangsarbeiter und deren Unterbringung in Lagern voll verantwortlich. Nach ihm ist in Herne-Sodingen immer noch eine Straße benannt.

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Herner Anzeiger 15. Juni 1938
Otto Hotzel (1899 – 1955) wurde 1933  Bergwerksdirektor der Gewerkschaft der Steinkohlenzeche Mont Cenis in Herne. Dort wehte schon bald die Hakenreuz-Fahne über dem Förderturm (s. Foto oben). Hotzel war Mitglied der NSDAP und wurde am 14. Juni 1938 als „Parteigenosse“ in den Herner Stadtrat gewählt. (s. Artikel links)
Nach der Übernahme durch die Gewerkschaft Constantin im Jahr 1939 wurde er zusammen mit Hans Schüler und Karl August Müller-Klönne zum Bergwerksdirektor der Großzeche Constantin ernannt. In vielen Protokollen der Bezirksgruppe Steinkohlenbergbau, in denen es um Zwangsarbeit geht, ist sein Name als Vertreter der Zeche Constantin angegeben. (Quelle: BBA 2879, 2880))

Die Zeit nach dem 2. Weltkrieg

Vom 10. April bis zum 22. April 1945 stand die gesamte Förderung still. Danach lief sie nur schleppend wieder an und wurde der Kontrolle der britischen Militärregierung unterworfen. Es fanden keine Gewerkenversammlungen mehr statt. Alleiniger Bergwerksdirektor wurde Wilhelm Heidemann.

Entnazifizierung

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Die Akten der Entnazifizierung kann man im Landesarchiv NRW einsehen und herunterladen.*
Otto Hotzel war 1930 dem ‚Stahlhelm‘, der demokratiefeindlichen Organisation ehemaliger Frontsoldaten,
beigetreten und wurde 1936 in die SA überführt. In einem langen Fragebogen zur Entnazifizierung gab er später seine Mitgliedschaften und Aktivitäten bis 1945 an. Die Mitgliedschaft imHerner Stadtrat als Nationalsozialist und seine Rolle bei dem Einsatz von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen spielten dabei keine Rolle.
Der ‚Entnazifizierungs-Hauptausschuß Kohlenbergbau Essen‘ entschied am 16.Juni 1948: Kategorie VKein Aktivist. Völlig entlastet“.
Bei der Entscheidung könnte ein „strenger Verweis“ des Kreisgerichts Herne/Castrop vom 7.September 1944 eine Rolle gespielt haben. Hotzel hatte einen talentierten russischen Kriegsgefangenen, als dieser bei ihm zu Hause eingesetzt war, gebeten ein Bild von ihm zu zeichnen und ihm dafür einige Zigaretten geschenkt.
Auf diesen Verweis bezog sich Hotzel noch einmal in einem Brief an den ‚Prüfungsausschuss für den Ruhrbergbau‘ in Essen vom 16. Juni 1948. Es ging um seinen Antrag auf Erteilung einer allgemein gültigen Arbeitserlaubnis. Sein hohes Einkommen in der Kriegszeit führte er dabei „ausschließlich auf .. fachliche Leistungen und Erfahrungen im Bergbau“ zurück. Seine ‚Leistungen‘ in Bezug auf den Einsatz der Zwangsarbeiter spielten im ganzen Verfahren nie eine Rolle. Auf der Zeche Constantin ist Hotzel allerdings nicht mehr in Erscheinung getreten.

Wilhelm Heidemann  gehörte schon in Kriegszeiten zum Grubenvorstand und wurde zunächst vom Entnazifizierungsausschuss als Mitläufer (Kategorie IV) eingestuft. Im Berufungsverfahren vom 8.Juni 1949 gab er an, dem ‚NS Reitersturm‘ im Jahre 1934 beigetreten zu sein, „um weiterhin bei Turnieren zugelassen zu werden und für das ihm gehörige Pferd Futter zugeteilt zu erhalten“. Später wurde er dort Scharführer, im Jahr 1937 sei er ohne Antrag in die Partei aufgenommen worden. Zeugen berichteten, dass Heidemann oft Konflikte mit Parteimitgliedern hatte, u. a. mit dem Ortsgruppenleiter Braumann in Grumme , dem Standartenführer Voss und den Hauptmännern Wille und Schaaf. Doch bei ihm spielte auch sein berufliches Verhalten eine Rolle, denn Heidemann habe versucht, Übergriffe auf Zwangsarbeiter zu verhindern. Ferner soll er auch eine halbjüdische Frau vor der Gestapo geschützt haben. Abschließend wurde er von der Kommission als „harmloses Parteimitglied“ eingestuft.

Karl August Müller-Klönne wurde von den Alliierten schon im September 1949 wieder als Mitglied der Grubenleitung eingesetzt (s.Grafik). In der neuen Aktiengesellschaft bildete er mit Wilhelm Heidemann und H. Koormann den Vorstand. (s. Geschäftsberichte der Gewerkschaft Constantin)

*NRW Landesarchiv Abt. Rheinland NW 1037 BI, Sign. 13026

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https://westfalen.museum-digital.de/people/231494

Während die beruflichen Aktivitäten der Bergwerksdirektoren weitgehend unberücksichtigt blieben, gab es Nachforschungen zum Verhalten der Steiger gegenüber Zwangsarbeitern. Die britische Behörde ‚North German Coal Control‘ sammelte 1946 dazu Zeugenaussagen. (s. auch Arbeitseinsatz auf der Zeche Constantin)
Später wurde über die Wiedereinstellung von beschuldigten Führungskräften der unteren Ebene entschieden. Einige durften wieder auf der Zeche Constantin arbeiten, einige auf anderen Schachtanlagen oder in Bergbau-Spezial-Gesellschaften, einer wurde in Rente geschickt. (BBA 20/2893)

Auf Anordnung der Alliierten (Combined Coal Control Group) wurde 1954 das Unternehmen in die ‚Bergbau AG Constantin der Große‘ umgewandelt, eine reguläre Aktiengesellschaft mit Aufsichtsrat und Vorstand.

Das Gebäude der Kaiseraue und das Ledigenheim am Kötterberg wurden von der Zeche in den 1960er Jahren für die Unterbringung von Gastarbeitern genutzt.1967 wurde mit den Schächten 6/7 der letzte Betrieb des Bergwerks Constantin stillgelegt. 1974 wurde die Kaiseraue abgerissen.