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Ein Spaziergang von Grumme nach Harpen 1937

aus dem Bochumer Anzeiger 11.1.1937:

Die Grume erzählt
Aus grauer Vorzeit – Das Ausflugsziel der Bochumer zu Kortums Zeiten

„Die Grume erzählt? Ja, was ist denn die Grume? So wird mancher Leser fragen. Nun, es ist von den Bächen, die auf Groß-Bochumer Gebiet dahinfließen oder dahinflossen (da manche Bäche verschwunden oder die meisten kanalisiert sind), der einzige Wasserlauf, der sich noch so ziemlich in seinem ursprünglichen Zustande befindet und seinen munteren Lauf durch ein Gelände nimmt, das noch am besten seinen Charakter bewahrt hat. Abgesehen vom unteren Stück, das kanalisiert ist und das Wasser dem ebenfalls kanalisierten Hofsteder Bach zuführt, der sich dann mit dem kanalisierten Marbach zum Hüller Mühlenbach vereint, der wiederum der eingebetteten Emscher sich vermählt. So klein und unbedeutend die Grume also ist, so kann sie dennoch viel erzählen. Des wurden die Teilnehmer an der Wanderung der Vereinigung für Heimatkunde inne, die am Samstag nachmittag bei herrlichem Winterwetter vor sich ging. Der Führer dieser Wanderung, G. Sackmann, verstand es, auf der Wanderung und zum Abschluß beim Beisammensein in der Gaststätte Stratmann-Kost in Harpen, die Wandlungen, die sich seit grauer Vorzeit hier in diesem Tal vollzogen haben, klarzustellen. Auf die Gestaltung der Landschaft haben nicht nur gewaltige geologische Erscheinungen eingewirkt, sondern selbst die kleinen Wasserläufe; den heutigen Stempel hat ihr dann die Industrie aufgedrückt.
Zu Kortums Zeiten war das Tal der Grume mit seinen saftigen Wiesen, seinen prächtigen Waldungen das beliebteste Ausflugsziel der alten Bochumer, die am Fuße des Tippelsberges, über den die Poststraße ging, in gemütlichen Wirtschaften den Sonntag genossen. Heute krönen die Höhen über der Kaiseraue, die das Wasser der Grume zu einem großen Weiher auffängt, die riesigen Anlagen der Großzeche ‚Constantin 6/7‘; längst hat die Mühle unterhalb der Kaiseraue, am Prattwinkel, ihre Räder stillgesetzt. Am Kötterberg vorbei ging die Wanderung dem klaren, sich dahinschlängelnden Bächlein entlang. Deutlich wurde der Aufbau der drei Terrassen offenbar, die sich im Laufe von Jahrmillionen gebildet haben.
Einst erhob sich in unserer Heimat ein mächtiges Gebirge, das Steinkohlengebirge, das in späteren Zeiten vom Kreidemeer überdeckt wurde. In unserer engeren Heimat reicht das Karbon noch teilweise bis an die Oberfläche, mehr nach Norden nimmt die Decke mehr und mehr an Mächtigkeit zu. Als das Meer zurückwich, bildeten sich Flüsse; so führte die Ruhr das Wasser aus den Gebieten südlich des Haarstranges bis Duisburg der Kölner Bucht zu.

Die Ruhr floß von Witten ab nach Norden etwa dem Laufe des jetzigen Oelbaches folgend über Grumme und Riemke durch das heutige Emschertal.
Man erkennt dies unzweifelhaft am einzigartigen Ruhrschotter, den man in Laer, Harpen, Grumme, Riemke, am Mechtenberg bei Stoppenberg usw. feststellen kann. Als später die Ruhr einen Weg nach Süden nahm (nach Durchbruch beim Hevener Knapp), bildeten sich im alten Flußtal Bäche, die, da sich inzwischen das Land gehoben hatte, entweder der Ruhr (Oelbach) oder der Emscher zueilten, wie das die Grume tut. Ein idyllisches Tal, dieses obere Tal der Grume. Hin und her hüpft das Bächlein durch die grüne Aue, rechts und links steigt fruchtbarer Ackerboden an; die Gehöfte von Blome im Busch und Hoddebecker grüßen von der Höhe, die einsamen Häuser am Güstenberg, den nach Osten ein leider recht klein gewordener Wald begrenzt, in dem früher Bochumer Vereine ihre Waldfeste feierten, den heute aber der mächtige Damm der
Zechenbahn von ‚Lothringen 4‘ durchschneidet. Oberhalb dieses Dammes entspringt auf einer Wiese, die zum Benkingshof gehört, der in einer Mulde verborgen liegt, die Grume, die sich aus vielen kleinen Wasseradern, die sich im Ruhrschotter sammelten, bildet. Es ist zu loben, daß die Stadtverwaltung den Pfad, der am Tal entlang führt, nach der bergigen Seite mit jungen Bäumen bepflanzt hat. Dieses Tal ist ein wahres Vogelparadies geworden, da es selten begangen wird.
Wer ein Freund stiller Wanderungen ist, der sollte nicht versäumen, einmal dem Laufe der Grume bis zu ihrer Entstehung zu folgen So nahe die Zechen ‚Lothringen 4‘ und ‚Constantin 6/7‘ sind, so lauschig ist dieses Tal des munteren Bächleins, das so wenigen selbst dem Namen nach bekannt ist. Von der Kaiseraue (80 Meter über dem MSp.) bis zur Höhe über dem Quellgebiet (130 Meter) ist eine Steigung von 50 Meter zu überwinden in drei Terrassen, die von dem Wandel der Bodengestaltung unserer Heimat zeugen. Darüber machte der verdienstvolle Führer G. Sackmann dann noch nähere Angaben bei der Besprechung der Wanderung. Für seine wertvollen Darlegungen stattete ihm Vereinsführer Bürgermeister i. R. Ibing den gern gezollten Dank der Heimatfreunde ab.“

zitiert aus Georg Braumann, Die Vereinigung für Heimatkunde Bochum 1920-1945 Bochum 2007 S.125