Betriebe und Lager in Grumme
Zwangsarbeit im EHW Stahlwerk
Auf dem Gelände des „Bochumer Vereins“ und der Eisen- und Hüttenwerke Bochum (EHW) waren Lager als Außenstellen des KZ Buchenwald eingerichtet. Sie waren mit Starkstrom gegen Fluchtversuche gesichert, die SS war zuständig. In den EHW wurden u. a. Panzerplatten und Material für die V2 Rakete gefertigt. 2 Standorte mit Lagern an der Castroper Straße 228 (Grenze Grumme) und am Castroper Hellweg 365b in Gerthe gehörten dazu.
In einer Aufstellung über ‚Zwangsarbeiterlager in Bochum laut Aufstellung vom 14. Juli 1943‘ sind für die ‚Eisen- und Hüttenwerke’ an der Castroper Straße 872 ZwangsarbeiterInnen verzeichnet, davon 100 Kriegsgefangene, 508 männliche und 97 weibliche OstarbeiterInnen. Zwei getrennte Lager sollen auf dem Gelände existiert haben.
In den beiden Lagern waren am Ende des Krieges ca. 2300 Menschen eingepfercht, darunter italienische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene, sowjetische Zwangsarbeiter (auch Kinder). Ca. 600 jüdische KZ Häftlinge wurden von dort kurz vor Kriegsende nach Buchenwald gebracht. Wie viele dort wirklich angekommen sind, ist unbekannt.
Zwangsarbeit an der Zeche Constantin der Große
Ein großer Teil der Zwangsarbeiter wurde im Bergbau eingesetzt, oft auch für die Knochenarbeit unter Tage. Grumme war damals von den Schächten der Zeche ‚Constantin der Große‘ geradezu umzingelt: Schacht 1 im Westen an der Herner Straße, Schacht 6/7 im Norden an der Hiltroper Straße, Schacht 3 an der Castroper Straße.
Die Zeche Constantin der Große gehörte seit 1927 zum Konzern der Friedrich Krupp AG. 1939 übernahm die Zeche Constantin auch die Zeche Mont-Cenis in Herne. Seit 1934 war sie Mitglied der ‚Bezirksgruppe Ruhr‘ als Unterorganisation der Wirtschaftsgruppe Bergbau, die der Reichswirtschaftskammer unterstellt war.
1943 waren fast 1500 Zwangsarbeiter der Zeche in Baracken untergebracht. Insgesamt sollen es über 3000 gewesen sein, die in den Lagern an der Wiescher Straße und an der Hiltroper Straße und auch im großen Saal der Kaiseraue eingepfercht waren.
Bei Luftangriffen gab es kein Recht auf einen Platz in Bunkern oder Schutzräumen. Die Vernichtung von Ostarbeitern durch Schwerstarbeit und Hunger wurde bewusst eingeplant, Leichen wurden in Massengräbern verscharrt.
Zur Zeche Constantin Schacht 6/7 gehörte auch ein Ledigenheim, das 1921 gebaut worden war. Im Krieg diente es als Zentralküche (s. Foto links). Nach dem Krieg wurde es wieder als Ledigenheim, heute als Sitz einer Baufirma genutzt. In der Zentralküche arbeiteten im 2. Weltkrieg mehr als 80 ukrainische Zwangsarbeiterinnen. In der Nähe der Matthias-Claudius-Straße soll es ein Lebensmittellager für die Zwangsarbeiter gegeben haben.
Zwangsarbeitslager in der Kaiseraue
Die Gaststätte Kaiseraue (Josephinenstr. 29) gehörte der Zeche Constantin. Auf dem Hof befand sich ein Holzbarackenlager, in dem seit 1940 französische Kriegsgefangene lebten. Im Saal der Gaststätte waren seit 1941 vor allem russische Zwangsarbeiter untergebracht, bis zu 283 Zwangsarbeiter mussten dort auf Doppelpritschen schlafen. Die Verpflegung der Ostarbeiter in diesem Lager lag zwar über dem Existenzminimum, reichte aber wegen der extremen körperlichen Belastung durch die lange und harte Arbeit nicht aus. Außer dem berüchtigten ‚Russenbrot‘ (pappige Mischung aus Mehl, Sägemehl und Laub) gab es meistens dünne Kohlsuppe, Tee-Ersatz, Brot, Kartoffeln, Margarine, selten Fleisch oder Gemüse, manchmal auch nur Küchenabfälle. Manchmal wurden Lebensmittel vom Lagerpersonal unterschlagen. Der latente Mangel an Vitaminen und Fetten führt zu schwerwiegenden Mangelerscheinungen bis hin zu Hungerödemen.
Gewalt war an der Tagesordnung. „So fand beispielsweise der sowjetische Zivilarbeiter Wladimir Wasilow bei einem Fluchtversuch aus dem Lager Kaiseraue der Bochumer Gewerkschaft Constantin der Große durch einen von einem Wachmann abgefeuerten Bauchschuss im Mai 1942 den Tod.“ (Meldung 18. Polizei-Revier Wanne-Eickel vom 11.6.1942, STAMS Polizeipräsidien 580, Bl. 191; Meldung Russenlager Kaiseraue 30.5.1942; zit. nach: Tenfelde, Seidel, Zwangsarbeit im Bergwerk Bd 2 Bochum 2005 S.95)
In Berichten ehemaliger Zwangsarbeiter, die in den 90er Jahren von der Gesellschaft Bochum-Donezk e.V. nach Bochum eingeladen wurden, werden die Lebens- und Arbeitsbedingungen in diesem Lager anschaulich beschrieben. Es sind dies vor allem die Berichte von Nikolaj Storoschenko, Michail Petruk, Iwan Kowolenko, Wiktor Jerochin. und für die Großküche Jekaterina Okunewa (s. u.)
Trotz der grausamen Behandlung sind einige von ihnen einigen Deutschen dankbar, die ihnen damals geholfen haben und deren Namen sie noch behalten haben, „wirkliche Menschen“. Auch Details haben sie noch behalten wie die Straßenbahn und den Bach neben der Kaiseraue. Nach dem Krieg wurden in der Kaiseraue auch Gastarbeiter untergebracht.
Auch Grummer Bürger haben sich an diese Zeit erinnert. In seiner ,‘Geschichte des Bochumer Stadtteils Grumme’ (s.u.) hat Thomas Mono 1980 Zeitzeugen befragt, die auch von Erfahrungen zum Thema Zwangsarbeit berichteten.
Demnach waren Zwangsarbeiter auch auf Grummer Bauernhöfen und in der Kiesgrube beschäftigt, wo sie besser als auf der Zeche behandelt wurden. Doch auch über den unbeschreiblichen Hunger und über tödliche Schläge wurde berichtet. Ein damaliger Schüler berichtet von einem Schulausflug, der ihn 1942 an dem Lager Kaiseraue vorbeiführte.
Als sich im Frühjahr 1945 US-amerikanische Truppen näherten, erschoss die Gestapo noch wenige Stunden vor dem Einmarsch der Amerikaner in einer von ihr beschlagnahmten Villa an der Bergstraße 76 zwanzig Zwangsarbeiter und verscharrte ihre Leichen in Bombentrichtern im Stadtpark.