Die Kriegsbegeisterung im August 1914 ist uns heute unverständlich, doch auch in Grumme wurde die Mobilmachung von vielen mit Jubel begrüßt. So berichtete 1981 Zeitzeuge Wilhelm H.:
„Das war, glaube ich, auf einem Samstag Abend,…. Da kam das heraus mit der Mobilmachung. Da haben wir ganz schön gefeiert, es ist spät nachts geworden. Ich weiß, dass wir hier oben am Kötterberg noch gesessen haben, mit Musik. Ja, und dann haben wir nachher mit unserer Kapelle in den ersten Tagen die Reservisten zum Bahnhof gebracht, so richtig im Festzug.
Dann war es so, wenn mal wieder ein Sieg errungen war und ich das gehört habe, rief ich schnell den Pastor Fiene an, dass wir einen Sieg hatten und soundso viele Gefangene, und dann wurden die Glocken geläutet. – Dann musste ich nachher selbst Soldat werden, von 1916 bis 1920. 1918 kam ich in Gefangenschaft, und erst im Februar 1920 kam ich zurück.“
Zeitzeuge Georg H. erinnerte sich:
„Ich weiß noch genau, wie ich vom Bäcker Otte kam, mit Brot. Ich kam von Grumme, und da riefen sie: ‚Ist Krieg, Krieg, hurra!‘ Es war eine große Begeisterung, so etwas gibt’s nicht wieder, so viele Freiwillige haben sich gemeldet! ‚Wenn sie mich nicht holen, dann gehe ich freiwillig!‘ und so etwas riefen alle. 1915 oder 1916, ich weiß es nicht mehr genau, da saßen wir hier draußen vor dem Haus, da hatte die Begeisterung schon nachgelassen, und da sagte mein älterer Bruder ziemlich traurig zu mir: ‚Ich glaube, unser Bruder Franz muss in den Krieg ‚“
Die Kriegsbegeisterung verflog schon bald, weil viele Soldaten nicht mehr nach Hause kamen. Verletzte Soldaten wurden auch im Grummer St. Josefs-Hospital behandelt, das mit 200 Betten zum ‚Reservelazarett Bochum‘ gehörte.
‚Liebesgaben für den Schützengraben‘
Unter diesem Motto wurden zu Beginn des Krieges Geschenke für die Soldaten an der Front gesammelt. Vor allem im ‚Vaterländischen Frauenverband‘ wurden Socken, Handschuhe und Pullover gestrickt. Später wurde das kommerzialisiert und man konnte Geld spenden an eine Firma, die dafür die Frontsoldaten belieferte. In Grumme gab es in der Schule eine ‚Liebesgaben-Sammelstelle‘, wo man Sach- und Geldspenden abgeben konnte. In der Grummer Schul-Chronik kann man nachlesen, dass von dort 450 kleinere, 20 größere Pakete und eine größere Sendung abgeschickt wurden mit Tabak, Zigarren und Lebensmitteln.
Doch auch soziale Arbeit für die Bevölkerung wurde geleistet:
„Den Frauen der Krieger wurde in den verschiedensten Fällen Rat erteilt. Schriftstücke für dieselben aufgesetzt u. Gänge für dieselben gemacht. .. Durch die Knaben der Klassen Ia u. IIa ist ein großer Teil der Gärten der Kriegerfrauen bearbeitet worden. Für die Ferienerholung der Kriegerkinder wurden 67,75 M. gesammelt. An der hiesigen Schule haben wir einen Kleiderbaum eingerichtet u. gebrauchte Kleidungsstücke gesammelt. Diese wurden an bedürftige Familien verteilt.“ (Schulchronik der Kath. Volksschule, Josefinenstr. 30, 122ff
Wie wichtig die Gärten waren, zeigte sich schon bald, denn die Versorgungslage der Bevölkerung wurde katastrophal, Hunger stand auf der Tagesordnung. Der ‚Steckrübenwinter‘ 1916/17 ist in die Geschichte eingegangen. So berichtete Zeitzeugin Josefine H. später über die Not am Ende des Krieges:
„Aber im ersten Weltkrieg haben wir wirklich gehungert! … Da weiß ich noch, wie ich zu meiner Mutter gesagt habe: ‚Mutter, ich habe einen entsetzlichen Hunger! Kannst du nicht mal Reibeplätzchen backen? Und da sagte sie: ‚Wo soll ich denn das Fett hernehmen, ich habe kein Fett.‘“
Während anfangs die Soldaten Lebensmittel von zu Hause bekamen, drehte sich dies Verhältnis im Laufe des Krieges um. Am Ende waren es die Soldaten, die ihrer Familie etwas zu essen nach Hause schickten.
Wie das alles ausging ist bekannt: fast 9,5 Millionen tote Soldaten. Die Zivilbevölkerung litt in diesem Krieg besonders unter der katastrophalen Versorgung. Man schätzt, dass zwischen 1914 und 1918 rund 800.000 Menschen in Deutschland an den Folgen des Hungers gestorben sind.
alle Zitate aus Th. Mono, Die Geschichte des Bochumer Stadtteils Grumme zwischen 1900 und 1980 im Spiegel erzählender Quellen und Erinnerungen Bochum 1981 S. 20-22