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Lebensbedingungen in Grummer Lagern

1943 waren fast 1500 Zwangsarbeiter der Zeche Constantin in Baracken untergebracht.Insgesamt sollen es über 3000 gewesen sein, die auf Zechengeländen und in den Lagern an der Wiescher Straße und Hiltroper Straße, im Zillertal sowie im großen Saal der Kaiseraue eingepfercht waren.

Schächte und Lager der Zeche Constantin der Große eingetragen nach www.bochumgegenrechts.de

 Zwangsarbeitslager Kaiseraue

Kaiseraue 1927

Die Gaststätte Kaiseraue (Josephinenstr. 29) gehörte von 1917 bis 1967 der Zeche Constantin. Auf dem Hof befand sich ein Holzbarackenlager, in dem seit 1940 französische Kriegsgefangene lebten und das der Wehrmacht uinterstand.

Im Saal der Gaststätte waren seit März 1942 bis zu 283 vor allem russische Zwangsarbeiter untergebracht, die dort auf Doppelpritschen schliefen. Die meisten mussten auf der Zeche arbeiten, einige auch auf Grummer Höfen und in Grummer Betrieben..
Die Verpflegung der Ostarbeiter in diesem Lager lag zwar über dem Existenzminimum, reichte aber wegen der extremen körperlichen Belastung durch die lange und harte Arbeit nicht aus. Außer dem berüchtigten ‚Russenbrot‘ (pappige Mischung aus Mehl, Sägemehl und Laub) gab es meistens dünne Kohlsuppe, Tee-Ersatz, Brot, Kartoffeln, Margarine. Selten Fleisch oder Gemüse, teilweise auch nur Küchenabfälle. Manchmal wurden Lebensmittel vom Lagerpersonal unterschlagen, z. B. vom Polizeimeister Kupfer, der bis 1923 als Bergmann bei Constantin gearbeitet hatte und nun das Kommando über das Zwangarbeiterlagerhatte.

Die latente Unterversorgung an Vitaminen und Fett führte zu schwerwiegenden Mangelerscheinungen bis hin zu Hungerödemen. Bei Luftangriffen gab es kein Recht auf einen Platz in Bunkern oder Schutzräumen. Die Vernichtung von Ostarbeitern durch Schwerstarbeit und Hunger wurde bewusst eingeplant, Leichen wurden oft in Massengräbern verscharrt.

Gewalt war an der Tagesordnung. Für die Wachmannschaften von ‚Ostarbeiterlagern‘ galt bei Fluchtversuchen der Schießbefehl.
„So fand beispielsweise der sowjetische Zivilarbeiter Wladimir Wasilow bei einem Fluchtversuch aus dem Lager Kaiseraue der Bochumer Gewerkschaft Constantin der Große durch einen von einem Wachmann abgefeuerten Bauchschuss im Mai 1942 den Tod.“ Erst kurz vorher war der Stacheldraht entfernt worden.
(Meldung 18. Polizei-Revier Wanne-Eickel vom 11.6.1942, STAMS Polizeipräsidien 580, Bl. 191; Meldung Russenlager Kaiseraue 30.5.1942; zit. nach: Tenfelde, Seidel, Zwangsarbeit im Bergwerk  Bd 1 Bochum 2005 S.95)

Russisch-deutsches Bildwörterbuch

In Berichten ehemaliger Zwangsarbeiter, die in den 90er Jahren von der Gesellschaft Bochum-Donezk e.V. nach Bochum eingeladen wurden, werden die Lebens- und Arbeitsbedingungen in diesem Lager anschaulich beschrieben. Es sind dies vor allem die Berichte von Nikolaj Storoschenko, Michail Petruk, Iwan Kowolenko und Wiktor Jerochin.

Trotz der grausamen Behandlung sind einige von ihnen einigen Deutschen dankbar, die ihnen damals geholfen haben und deren Namen sie noch behalten haben, „wirkliche Menschen“. Auch Details haben sie noch behalten, wie Straßenbahn und Bach neben der Kaiseraue.

Am 20.9.1942 wurde das Lager verlegt nach Schacht X, die Baracken wurden als Lebensmittellager genutzt. Im April 1945 wurde dieses Lager von der Bevölkerung geplündert. Nach dem Krieg wurde die Kaiseraue als ‚Beamtenkasino‘ genutzt, später wurden dort Gastarbeiter untergebracht. (Tenfelde, Seidel, Bd.2 S.664)

Zentralküche auf dem Gelände der Zeche Constantin 6/7 an der Hiltroper Straße

Gebäude der Großküche, aus: Festschrift Constantin 75 Jahre S. 145

aus: Festschrift Constantin 75 Jahre S. 146

aus: Festschrift Constantin 75 Jahre S. 146

Das Gebäude heute. Foto H. Schlinkert

Auf dem Gelände der Zeche Constantin Schacht 6/7 befand sich auch ein Ledigenheim mit 51 Zimmern, das 1923 gebaut worden war. Im Krieg diente es als Zentralküche. Nach dem Krieg wurde es wieder als Ledigenheim genutzt, heute ist es Sitz einer Baufirma. Im Gebäude der Zentralküche wohnten und arbeiteten im 2. Weltkrieg mehr als 80 ukrainische Zwangsarbeiterinnen. In der Nähe der Matthias-Claudius-Straße soll es ein Lebensmittellager für die Zwangsarbeiter gegeben haben.
Die frühere Zwangsarbeiterin Jekaterina Okunewa hat bei ihrem Besuch in Bochum von ihrer Arbeit in der Großküche berichtet.

Gräber auf dem Grummer Friedhof

Auf dem Grummer Friedhof Feld L trifft man auf eine lange Reihe von Gräbern aus den 1940er Jahren. Viele Deutsche sind dort nach den Bombenangriffen bestattet worden. Doch auch zwei russische Namen stehen auf den Grabsteinen.

Peter Jetysiejew: * 15.10.1909 in Olchowka/Russland + 25.4.1942. Im Alter von 32 Jahren soll er an Herzschwäche gestorben sein.

Jakiw Kononov * 27.6.1924 in Juzewko/Russland + 24.4.1942, soll schon mit 17 Jahren an Gelenkrheuma gestorben sein.

Beide waren im Lager Kaiseraue untergebracht. Andere verstorbene Zwangsarbeiter wurden auf dem Friedhof Freigrafendamm und auf dem Blumenfriedhof in Massengräbern beerdigt. Mahnmäler und Namenslisten weisen darauf hin. Doch auch dort ist nur ein Teil der Opfer bestattet, denn todkranke Zwangsarbeiter wurden oft zurück ins STALAG (Stammlager) Hemer geschickt und dort später beerdigt.

Zwangsarbeiterlager Bochum Bergen

Auch in Bochum-Bergen, nicht weit von Grumme, befand sich ein Zwangsarbeiterlager der Zeche Constantin, in dem auch Zwangsarbeiter von Grummer Schächten untergebracht waren. Die heute teilweie noch bewohnten Gebäude befinden sich an der Bergener Straße 116 a-i. Ein ehemaliges Kommandantur-Gebäude, das an den früheren Appellplatz im Eingangsbereich angrenzt, und acht eingeschossigenBaracken aus Stein mit Satteldach gehören dazu.
Mehr dazu auf der Website der Initiative Gedenkort Bochum Bergen‚. Die Initiative ist überparteilich und Mitglied im Bochumer Bündnis gegen Rechts. Sie will das ehemalige Zwangsarbeiter-Lager zu einem würdigen Gedenk-, Erinnerungs- und Lernort zu den NS-Verbrechen machen und damit ein Zeichen gegen menschenverachtenden Rassismus setzen. Die Initiative veranstaltet auch Führungen durch das ehemalige Lager.